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Organopónicos (Städtische Landwirtschaft)
20.03.07
Kubas Selbsthilfemodell macht Schule
Städtische Landwirtschaft wie auf der Karibikinsel wird in Südamerikas Metropolen imitiert
Von Knut Henkel
Die städtischen Gärten gelten in Kuba als wesentliches Element zur Lösung der Versorgungsprobleme in den Städten. Unmengen an Gemüse und Salat werden, so die offiziellen Statistiken, in Havanna und anderen Städten des Landes geerntet. Längst wird das Modell als Beitrag zur Selbsthilfe in andere Länder exportiert – nicht nur nach Venezuela.
Der Verkaufsstand des »Vivero Organopónico Alamar« ist gut bestückt. Mohrrüben, Kopfsalat, Rote Bete und Kartoffeln lagern in großen Plastikbehältern neben Auberginen und Paprika. Die Kunden aus den nahegelegenen Plattenbauten, die den Arbeiterstadtteil im Osten der kubanischen Hauptstadt Havanna prägen, stehen geduldig Schlange, um die frische Ware zu kaufen. »Alles aus ökologischem Landbau«, sagt Miguel Angel Salcines und deutet mit einer ausladenden Armbewegung über den Tresen hinüber zu den Anbauflächen. Dort stehen einige Genossen in den exakt abgezirkelten Feldern und ernten Salatköpfe.
Die frische Ware wird per Schubkarre zum Verkaufsstand gekarrt und von den wartenden Kunden in die Einkaufsbeutel verstaut. Neben einer Fülle von Salat- und Kohlsorten gibt es reichlich Gemüse im Angebot, aber auch Zierpflanzen und Gewürze kann man im Vivero Alamar erstehen.
Kontinuierlich wurde in den letzten drei Jahren das Angebot und parallel dazu die Anbaufläche von knapp vier auf derzeit knapp zehn Hektar erweitert. Kein Wunder, denn die Nachfrage nach frischem Gemüse ist ungebrochen hoch, und auch über zehn Jahre nach Einführung der Stadtgärten ist die Nachfrage deutlich höher als das Angebot. Mitte der neunziger Jahre entstand die Idee, Freiflächen in den Städten für den Anbau zu nutzen, um die Versorgung in den großen Städten wie Havanna, Santiago de Cuba oder Camagüey zu erleichtern. Zum einen fehlte damals ausreichend Benzin und Diesel für den Transport der frischen Ware in die Städte, zum anderen wurde in den staatlichen Genossenschaften viel zu wenig produziert, um die rund elf Millionen Kubaner zu versorgen. Die Stadtgärten waren eine Alternative und das Konzept hat relativ gut gegriffen.
Damals machte sich auch Miguel Angel Salcines daran, den Stadtgarten von Alamar aufzubauen. Mit vier Kollegen aus dem Agrarministerium begann der 57-jährige großgewachsene Mann seinen Traum von der eigenen Genossenschaft umzusetzen. Ressourcen stellte die kubanische Regierung jedoch kaum zur Verfügung: »Das Land hat uns der Staat zum Anbau zur Verfügung gestellt und ansonsten wurde eine Steuer von fünf Prozent auf den Verkaufserlös erhoben – das war es schon«, erinnert sich Salcines an die schwierigen Startbedingungen.
Mit einem halben Hektar startete die Genossenschaft damals und systematisch wurde die Anbaufläche in den folgenden Jahren erweitert. Das lag nicht allein an der Zielstrebigkeit, mit der Salcines und Co. zu Werke gingen, sondern auch an der Hilfe der Agro Acción Aleman, wie die Deutsche Welthungerhilfe in Kuba heißt. Die sorgte mit hurrikansicheren Treibhäusern, Saatgut und sonstigem Equipment für gute Startbedingungen der jungen Kooperative.
Überaus zielstrebig gehen die Compañeros dort ihren Aufgaben nach und Pflanzkästen, Keramiktöpfe und Werkzeuge stehen sauber gestapelt an ihrem festen Platz. Ungewohnt geordnet und klar strukturiert geht alles seinen Gang. Darüber wundern sich nicht nur die deutschen Touristen, die hin und wieder von einem Veranstalter nach Alamar gefahren werden, um ein Stück »echtes Kuba« zu sehen zu bekommen. »Auch eine sozialistische Genossenschaft kann durchaus produktiv arbeiten«, sagt Salcines lächelnd. Und die hohe Produktivität der Kooperative schlägt sich in den Löhnen nieder. Die liegen mit rund 1000 Peso mehr als doppelt so hoch wie der kubanische Durchschnittslohn, wodurch die 146 Compañeros sich auch deutlich mehr leisten können.
Längst gilt der Vivero Organoponico von Alamar als eine Art Modellbetrieb und Agrarexperte Salcines ist immer mal wieder unterwegs, um die Erfahrungen der Genossen auch international weiterzugeben. Einige Monate war er in Venezuela, um die ersten Stadtgärten in Caracas mit aufzubauen. Aber auch in Mexiko war er und demnächst wird der schlaksige Mann mit den graumelierten Haaren auch in Spanien schildern, wie die kubanischen Bauern mit organischem Landbau die Nahrungsmittelversorgung Kubas verbessert haben. Allerdings läuft es längst nicht in allen Stadtgärten Kubas so rund wie in Alamar. Die allermeisten der städtischen Gärten sind deutlich kleiner und nicht unbedingt derartige Effizienzoasen wie der Modellbetrieb von Salcines und Co. Und selbst kubanische Agrarexperten wie Armando Nova vom Institut zur Erforschung der kubanischen Wirtschaft (CEEC) zweifeln an den offiziellen Produktionsangaben. Die liegen für 2006 bei 4,2 Millionen Tonnen an Gemüse, Salat und Wurzeln. »Das ist zu viel, denn sonst müsste jeder erwachense Kubaner täglich zwei Kilo an Obst und Gemüse zu sich nehmen. Das ist aber nicht der Fall, denn das können sich die meisten Kubaner gar nicht leisten«, so der Agrarspezialist. Gleichwohl stellt er den städtischen Gärten, in Kuba organoponicos oder huertos genannt, ein gutes Zeugnis aus. Die hätten zur Verbesserung der Versorgung beigetragen und selbst an den Ernährungsgewohnheiten vieler Kubaner habe sich etwas geändert. »Andererseits sind wir trotz aller Bemühungen dazu verdammt, Lebensmittel en gros zu importieren«, so der Agronom. Doch das liegt vorrangig an den Strukturen der kubanischen Landwirtschaft, und das Modell der städtischen Gärten ist für andere Metropolen wie Bogotá oder Lima sicherlich interessant. In Lima hat die Welthungerhilfe bereits erste vergleichbare Projekte initiiert – mit Erfolg.