Havan­na hält dagegen

By Published On: Mai 23, 2025Cate­go­ries: News, Wirt­schaft

22.05.2025 Tages­zei­tung Jun­ge Welt//
Kuba wehrt sich gegen Angrif­fe der USA auf die Rei­se­bran­che der sozia­lis­ti­schen Karibikinsel
Vol­ker Hermsdorf//
Der Tou­ris­mus ist eine der wich­tigs­ten Devi­sen­quel­len für die kuba­ni­sche Wirt­schaft und erweist sich zugleich als deren Achil­les­fer­se. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren war er Ziel einer Rei­he von Angrif­fen, dar­un­ter eine stän­di­ge Ver­schär­fung der von der US-Regie­rung ver­häng­ten Wirtschafts‑, Han­­dels- und Finanz­blo­cka­de, geziel­te Medi­en­kam­pa­gnen und zuneh­men­de Schi­ka­nen gegen Rei­sen­de und das Rei­se­ziel Kuba. Ein­schrän­kun­gen bei Flug­rei­sen, das Ver­bot von Kreuz­fahr­ten aus den USA, die Ver­wei­ge­rung der visum­frei­en Ein­rei­se in die USA für Tou­ris­ten, die Kuba besucht haben, und die – einen Tag nach Donald Trumps Amts­an­tritt erfolg­te – erneu­te Auf­nah­me Kubas in die US-Lis­­te »ter­ror­un­ter­stüt­zen­der Staa­ten« erschwe­ren Buchun­gen und die Mög­lich­kei­ten der inter­na­tio­na­len finan­zi­el­len Abwicklung.
Kubas Prä­si­dent Miguel Díaz-Canel ver­ur­teil­te die Maß­nah­men in einer Rede vor Teil­neh­mern der inter­na­tio­na­len Tou­ris­mus­mes­se »FIT Cuba 2025« in Havan­na kürz­lich als »Teil der Aggres­si­vi­tät der Ver­ei­nig­ten Staa­ten« gegen die Insel. »Wenn der Tou­ris­mus unter­bun­den wird und Men­schen dar­an gehin­dert wer­den, in ein ande­res Land zu rei­sen, wer­den die kul­tu­rel­len Ver­bin­dun­gen und die Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Natio­nen gekappt«, beton­te er und wies so auf einen Aspekt hin, der über die wirt­schaft­li­chen Schä­den hin­aus­geht, die Kubas Bevöl­ke­rung zuge­fügt wer­den. Die sind aller­dings beträcht­lich. Im ers­ten Quar­tal die­ses Jah­res kamen mit 571.772 inter­na­tio­na­len Gäs­ten knapp 30 Pro­zent weni­ger Tou­ris­ten ins Land als im glei­chen Zeit­raum des Vor­jah­res. Damit ist das ursprüng­lich anvi­sier­te Ziel von 2,6 Mil­lio­nen Besu­chern in die­sem Jahr in wei­te Fer­ne gerückt. Als Fol­ge ver­schärf­ter Angrif­fe Washing­tons hat­te sich die Bran­che, die vor weni­gen Jah­ren noch als »Motor der Volks­wirt­schaft« und Hoff­nungs­trä­ger galt, bis zum Ende der Hoch­sai­son 2024/25 noch nicht von den Ein­brü­chen wäh­rend der Coro­na­pan­de­mie erholt. Nach einem Höchst­stand von 4,7 Mil­lio­nen Besu­chern im Jahr 2017 sank die Zahl 2023 auf 2,4 Mil­lio­nen und im ver­gan­ge­nen Jahr auf 2,2 Mil­lio­nen Gäste.
Den Kuba-Geg­­nern in Miami und Washing­ton ist das offen­bar noch immer zuviel. Am 13. Mai setz­te das US-Außen­­mi­­nis­­te­ri­um Kuba erneut auf eine Lis­te von Län­dern, die »nicht voll­stän­dig mit den US-Bemü­hun­­gen zur Bekämp­fung des Ter­ro­ris­mus« koope­rie­ren. Damit ver­schärf­te Washing­ton aber­mals sei­ne völ­ker­rechts­wid­ri­gen Sank­tio­nen. Die erneu­te Auf­nah­me in die­se Lis­te hat wei­te­re nega­ti­ve Kon­se­quen­zen für Kubas Zugang zum inter­na­tio­na­len Finanz­ver­kehr und den Tou­ris­mus. Bereits seit Febru­ar kön­nen kuba­ni­sche Gast­ge­ber nicht mehr das Online­por­tal Airbnb nut­zen. Auch das US-Online­­rei­­se­­bü­­ro Expe­dia teil­te Ver­mie­tern auf der Insel unlängst mit, dass es kei­ne Buchun­gen nach Kuba mehr akzep­tie­re. »Mit Wir­kung vom 30. April 2025 wird Ihre Immo­bi­lie auf einen Ver­kaufs­stopp gesetzt und wird für Rei­sen­de auf kei­ner der welt­wei­ten Web­sites der Expedia
Group mehr sicht­bar sein«, teil­te die Platt­form einem pri­va­ten Ver­mie­ter in Havan­na per E‑Mail mit. Wie das von US-ame­ri­­ka­­ni­­schen und kuba­ni­schen Jour­na­lis­ten betrie­be­ne inves­ti­ga­ti­ve Online­por­tal Bel­ly of the Beast berich­te­te, kün­dig­te das Unter­neh­men an, kei­ne Buchun­gen nach Kuba mehr anzu­neh­men, da die Trump-Admi­­nis­­tra­­ti­on »ange­deu­tet« habe, die dafür not­wen­di­ge Lizenz nicht zu ver­län­gern. Tat­säch­lich war trotz meh­re­rer Test­ver­su­che bei Expe­dia zuletzt kei­ne Unter­kunfts­bu­chung für Kuba mehr möglich.
Das glo­bal agie­ren­de Unter­neh­men mit Sitz in Seat­tle steht nicht nur unter dem Druck der Trump- Regie­rung. Ein Gericht in Miami hat Expe­dia und drei sei­ner Toch­ter­ge­sell­schaf­ten unlängst gemäß Titel III des Helms-Bur­­ton-Gese­t­­zes von 1996 zur Zah­lung von 30 Mil­lio­nen US-Dol­lar ver­ur­teilt. Das Gesetz ermög­licht es US-Bür­­gern, deren Besitz wäh­rend der Kuba­ni­schen Revo­lu­ti­on ver­staat­licht wur­de, Unter­neh­men zu ver­kla­gen, die auf ihrem eins­ti­gen »Eigen­tum« Geschäf­te machen. Der Klä­ger hat­te behaup­tet, sei­ner Fami­lie habe Cayo Coco gehört, eine klei­ne Insel, auf der Expe­dia Zim­mer ange­bo­ten hat­te. Nun prüft ein US-Bezirks­­rich­­ter, ob dem Klä­ger einst das Eigen­tum an Cayo Coco tat­säch­lich »von der Kro­ne Spa­ni­ens über­tra­gen« wur­de. Die münd­li­che Ver­hand­lung dar­über wur­de für den 25. August angesetzt.
Neben Expe­dia sperrt auch das in San Fran­cis­co ansäs­si­ge Online­por­tal Airbnb kuba­ni­sche Anbie­ter aus. Gast­ge­ber kön­nen ihre Zim­mer nicht mehr ver­mie­ten, sofern sie nicht über ein Bank­kon­to außer­halb des Lan­des ver­fü­gen. Eine Ver­mie­te­rin berich­te­te, ihre Ange­bo­te sei­en Ende Febru­ar »ohne Vor­ankün­di­gung« gesperrt wor­den. Auf Nach­fra­ge habe man ihr mit­ge­teilt, sie sol­le ihre »Zah­lungs­me­tho­de« ändern. Doch auch nach­dem sie zu einer aus­län­di­schen Bank gewech­selt sei, blieb die Sper­re erhal­ten. Der Schritt kön­ne damit zusam­men­hän­gen, dass Orbit, ein staat­li­ches kuba­ni­sches Unter­neh­men, das Über­wei­sun­gen des Finanz­dienst­leis­ters Wes­tern Uni­on abwi­ckelt, im Febru­ar auf eine Lis­te der US-Regie­rung von »Rest­ric­ted Enti­ties« (ein­ge­schränk­ten Unter­neh­men) gesetzt wur­de. Eine wei­te­re Schi­ka­ne, um Kuba von Devi­sen­ein­nah­men abzu­schnei­den. Als Fol­ge haben meh­re­re Unter­neh­men seit ver­gan­ge­ner Woche die Wei­ter­lei­tung von Über­wei­sun­gen auf die Insel auf unbe­stimm­te Zeit eingestellt.
Doch die Regie­rung in Havan­na gibt sich trotz aller Angrif­fe auf die Achil­les­ver­se der kuba­ni­schen Wirt­schaft opti­mis­tisch. Mit neu­en Kon­zep­ten, zusätz­li­chen Part­nern und der Ein­rich­tung von Direkt­flü­gen zwi­schen Kuba und Deutsch­land ab Novem­ber soll ver­sucht wer­den, dem nega­ti­ven Trend im Tou­ris­mus entgegenzuwirken.
Hin­ter­grund: Tou­ris­mus in Kuba
Trotz Blo­cka­de setzt Havan­na wei­ter auf die Rei­se­bran­che. Ange­sichts stän­dig ver­schärf­ter US- Sank­tio­nen gegen den Tou­ris­mus­be­reich beto­nen Regie­rungs­ver­tre­ter, dass eine der inno­va­tivs­ten Fähig­kei­ten des kuba­ni­schen Tou­ris­mus in sei­ner Anpas­sungs­fä­hig­keit bestehe. »In schwie­ri­gen Zei­ten ver­su­chen wir nicht, den glei­chen alten Tou­ris­mus zu machen, son­dern set­zen uns neue Zie­le, Optio­nen und Visio­nen«, kün­dig­te Prä­si­dent Miguel Díaz-Canel Anfang Mai auf der inter­na­tio­na­len Tou­ris­mus­mes­se »FIT Cuba 2025« an. Ziel sei ein nach­hal­ti­ger Tou­ris­mus, der wirt­schaft­li­che, sozia­le, kul­tu­rel­le und öko­lo­gi­sche Aspek­te glei­cher­ma­ßen integriere.
Obwohl Kuba von Besu­chern und Rei­se­ver­an­stal­tern nach wie vor als das sichers­te und eines der
schöns­ten Zie­le in Latein­ame­ri­ka geschätzt wird, konn­te das Land die blo­cka­de­be­ding­ten Wett­be­werbs­nach­tei­le gegen­über ande­ren Kari­bik­des­ti­na­tio­nen wie Can­cún oder Pun­ta Cana in den ver­gan­ge­nen Jah­ren jedoch nicht kom­pen­sie­ren. Um den Tou­ris­mus trotz­dem als Devi­sen­brin­ger und zen­tra­len Pfei­ler der kuba­ni­schen Wirt­schafts­stra­te­gie zu stär­ken, sol­len neben alter­na­ti­ven Kon­zep­ten vor allem auch Ange­bo­te mit neu­en Part­nern aus­ge­baut wer­den. Russ­land und Chi­na zei­gen sich dabei beson­ders interessiert.
»Unser Ziel ist es, das Land mit der größ­ten Anzahl von Tou­ris­ten auf dem kuba­ni­schen Markt zu wer­den«, so der stell­ver­tre­ten­de rus­si­sche Pre­mier­mi­nis­ter Dmi­t­ri Tscher­ny­schen­ko kürz­lich beim Besuch von Miguel Díaz-Canel in Mos­kau. Im Juli soll die Kari­bik­in­sel dort auf Ver­an­stal­tun­gen »ihre Schön­hei­ten und Pro­duk­te für rus­si­sche Gäs­te« prä­sen­tie­ren. Die ent­de­cken auch immer mehr Tou­ris­ten aus Chi­na, deren Zahl 2024 bereits um 48,6 Pro­zent zunahm. Der Lei­ter der Chi­ne­si­schen Tou­ris­mus­aka­de­mie, Dai Bin, erklär­te auf der Mes­se »FIT Cuba 2025«, Bei­jing wol­le Kuba zum »wich­tigs­ten Luft­dreh­kreuz zwi­schen Chi­na und der Kari­bik und zum ers­ten Ziel für chi­ne­si­sche Tou­ris­ten in der Regi­on« machen. (vh)
https://www.jungewelt.de/artikel/500478.unblock-cuba-havanna-hält-dagegen.html