Sound­track der Revolution

By Published On: Novem­ber 25, 2022Cate­go­ries: Kul­tur, News

Zum Tod des kuba­ni­schen Lie­der­ma­chers und Nue­­va-Tro­­va-Pio­­niers Pablo Milanés

In Kuba nann­te man ihn lie­be­voll »Pab­li­to«. Am Mon­tag starb Pablo Milanés im Alter von 79 Jah­ren in Madrid, wo er wegen Blut­krebs in Behand­lung war. »Der Schmerz kam mit der Nach­richt«, teil­te Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel von sei­nem Staats­be­such in Mos­kau aus mit und bezeich­ne­te den Grammy-Preisträger und Mitbegründer der Bewe­gung der Nue­va Tro­va Cuba­na als »Stim­me des Musik­stils unse­rer Generation«.

»Als Schöpfer eines monu­men­ta­len Werks stel­len Milanés und sein musi­ka­li­sches Vermächtnis eine Refe­renz für die kuba­ni­sche Identität und Kul­tur dar. Sei­ne Lie­der und Inter­pre­ta­tio­nen sind Teil unse­rer Revo­lu­ti­on«, würdigte das Kul­tur­mi­nis­te­ri­um den Ver­stor­be­nen. Der am 24. Febru­ar 1943 in Baya­mo als jüngstes von fünf Kin­dern einer Arbei­ter­fa­mi­lie gebo­re­ne Künstler begann sei­ne Kar­rie­re als Fil­in-Inter­pret, einer moder­ni­sier­ten Vari­an­te des klas­si­schen, sen­­ti­­men­­tal-roman­­ti­­schen kuba­ni­schen Bole­­ro-Gen­­res. Im Jahr 1965 nahm Milanés sein ers­tes Album mit dem Titel »Mis 22 años« auf, das als Brücke zwi­schen Fee­ling und Nue­va Tro­va gilt. Er war Mit­glied meh­re­rer Grup­pen, bis er sich den jun­gen Musi­kern der »Gru­po de Experimentación Sono­ra del ICAIC« anschloss, zu denen auch sein Kol­le­ge und Freund Sil­vio Rodríguez gehörte.

Beein­flusst von Bob Dylan, Joan Baez und den Beat­les ent­stand mit der »Nue­va Tro­va« eine Schu­le von Lie­der­ma­cher, die sich als »neue Trou­ba­dou­re« bezeich­ne­te. Ihre Musik war in den kuba­ni­schen Tra­di­tio­nen ver­wur­zelt, die Tex­te aber deut­lich poli­tisch. Damit, so das Kul­tur­mi­nis­te­ri­um in Havan­na, wur­de die »Nue­va Tro­va« zum »Sound­track der kuba­ni­schen Revo­lu­ti­on«. Wie Sil­vio Rodríguez, Leo Brou­wer, Amau­ry Pérez und ande­re bekann­te Tro­­va-Inter­pre­­ten tour­te Pablo Milanés als gefei­er­ter musi­ka­li­scher Bot­scha er revolutionärer Idea­le um die Welt. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hielt er sich aus gesund­heit­li­chen Gründen in Spa­ni­en auf. Nach sei­nem letz­ten Au ritt in Kuba bei einem Kon­zert vor Tau­sen­den von Zuschau­ern in der Ciu­dad Depor­ti­va in Havan­na am 21. Juni 2022 schrieb die Tages­zei­tung Gran­ma: Wenn sehr jun­ge Men­schen wie dort aus dem Gedächtnis die Stücke von Pablo Milanés mit­sin­gen, sage das alles »über die Aktualität sei­ner Lie­der, die in der heu­ti­gen Zeit geschrie­ben wor­den zu sein scheinen«.

In den 60er Jah­ren kom­po­nier­te Milanés sei­nen ers­ten Song »Tu Mi Desengaño« (Du mei­ne Enttäuschung). Der Durch­bruch gelang ihm 1970 mit »Yolan­da«, bis heu­te eines der bekann­tes­ten Lie­der in Latein­ame­ri­ka. Sein musi­ka­li­sches Vermächtnis besteht aus mehr als 40 Alben, die unter ande­rem Lie­der wie »El Bre­ve Espa­cio«, »Cuba Va«, »Amo esta Isla« umfas­sen. Er sei ein treu­er Anhänger der Revo­lu­ti­on, ver­si­cher­te Milanés der New York Times einst und erklärte: »Ich bin ein Arbei­ter, der mit Songs arbei­tet, und mache wie jeder kuba­ni­sche Arbei­ter das, was ich am bes­ten kann.« Ein Cla­queur war er nie. »Ich bin mit vie­len Din­gen in Kuba nicht ein­ver­stan­den, und jeder weiß das«, sag­te Milanés. Popularität und Anse­hen lit­ten nicht dar­un­ter. Kul­tur­mi­nis­ter Alpi­dio Alon­so beklag­te am Diens­tag, dass »es kei­ne Wor­te gibt, die den enor­men Ver­lust ausdrücken können, den der Tod von Pablo Milanés für die kuba­ni­sche Kul­tur dar­stellt. Sein dich­te­ri­sches und musi­ka­li­sches Vermächtnis ist unsterblich.«

Jun­ge Welt, 25.11.22 von Vol­ker Hermsdorf

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