Haben Kubas Solar­pa­nele »Melis­sa« überstanden?

By Published On: Novem­ber 10, 2025Cate­go­ries: News, Öko­lo­gie

Hur­ri­kan und US-San­k­­tio­­nen tref­fen Insel schwer. Anla­gen für Pho­to­vol­ta­ik kom­pen­siert Fol­gen, erklärt Lothar Rei­nin­ger vom Netz­werk Inter­red Cooperación.
Inter­view: Git­ta Düper­thal (Tages­zei­tung jun­ge­Welt vom 8.11.25)

jW: Das sozia­lis­ti­sche Kuba muss seit Jahr­zehn­ten Sank­tio­nen der USA erlei­den. Prä­si­dent Donald Trump hat die­se ver­schärft. Hin­zu kamen die Zer­stö­run­gen durch den jüngs­ten Hur­ri­kan »Melis­sa«, der Ende ver­gan­ge­ner Woche in den Pro­vin­zen Sant­ia­go de Cuba, Gran­ma, Hol­guín und Guan­tá­na­mo schwe­re Schä­den anrich­te­te. Was trifft Kuba schlim­mer: Trump oder »Melis­sa«?

Lothar Rei­nin­ger: Bei­des ist nie­der­schmet­ternd. Trumps Außen­mi­nis­ter Mar­co Rubio hat­te sich vor der Macht­über­nah­me dezi­diert dar­auf vor­be­rei­tet, Kubas Wirt­schaft zu tref­fen: ob die Tou­ris­mus­bran­che oder das Ent­sen­den von Ärz­te­bri­ga­den. Er droh­te, alle zu sank­tio­nie­ren, die Kuba Zusam­men­ar­beit in Aus­sicht stell­ten. Ver­brei­tet wird die absur­de Behaup­tung, kuba­ni­sche Zigar­ren wür­den von Zwangs­ar­bei­tern in Gefäng­nis­sen her­ge­stellt. All das soll Kubas Devi­sen­ein­nah­men schmä­lern. Der Hur­ri­kan hat den Osten der sozia­lis­ti­schen Insel­re­pu­blik hef­tig erwischt; gro­ße Regen­men­gen gin­gen nie­der, ver­ur­sach­ten Schä­den. Was die Ener­gie­wirt­schaft betrifft: Offen­bar erlit­ten die von der Volks­re­pu­blik Chi­na an Kuba im gro­ßen Stil gelie­fer­ten Solar­an­la­gen – 55 Solar­parks mit einer Leis­tung von je 22 Mega­watt, jeweils so groß wie 20 Fuß­ball­fel­der und über ganz Kuba ver­teilt – nur gerin­gen Scha­den. Sie sind stabil.

jW: Ihr Netz­werk »Inter­red Coope­ra­ción« star­te­te 2021 ein Pro­jekt, um den Ener­gie­man­gel auf der Insel zu über­win­den. Funk­tio­nie­ren die Anla­gen noch?

Lothar Rei­nin­ger: Von uns gespen­de­te Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen sind auf Indus­trie­dä­chern von Phar­ma­be­trie­ben im Umfeld von Havan­na instal­liert, wo der Sturm nicht wüte­te. Ihr Strom wird direkt in Betrie­be für die Pro­duk­ti­on von Medi­ka­men­ten ein­ge­speist. Als vor einem Jahr ein Hur­ri­kan über Havan­na auf­zog, gab es an den Anla­gen auch kaum schlim­me Schä­den. Sie sind resis­tent gegen Stür­me auf­ge­baut, damit der Wind kei­ne Angriffs­flä­che hat. Die von uns gelie­fer­te Anla­ge lie­fert seit vier Jah­ren Strom, ohne dass es irgend­ei­nen Scha­den gege­ben hät­te. Ver­schleiß­tei­le muss­ten nicht nach­ge­lie­fert wer­den, War­tungs­kos­ten fie­len nicht an.

jW: Die Volks­re­pu­blik Chi­na errich­tet wei­ter­hin flei­ßig Solar­parks auf Kuba. Wie ist das poli­tisch zu werten?

Lothar Rei­nin­ger: Es hilft, die Ener­gie­kri­se zu über­win­den und teil­wei­se maro­de Ölkraft­wer­ke zu erset­zen. Wegen des durch die USA ver­ur­sach­ten Devi­sen­de­sas­ters ist die Ölför­de­rung rück­läu­fig, zum Bei­spiel durch Ersatz­teil­man­gel für die Pum­pen. Ohne Ener­gie funk­tio­niert auf Kuba nichts, weder die Lebens­mit­tel­ver­sor­gung noch die Zucker­pro­duk­ti­on oder die indus­tri­el­le Pro­duk­ti­on. Der öffent­li­che Nah­ver­kehr kann nur spo­ra­disch fah­ren. Chi­nas Lie­fe­run­gen heben den Solar­an­teil über zehn Pro­zent an der gesam­ten Strom­ver­sor­gung und kom­pen­sie­ren so die schlimms­ten Aus­wir­kun­gen der Sank­tio­nen der Trump-Regie­rung. Um die zu lockern, muss der poli­ti­sche Druck steigen.

jW: Wer wäre in der Lage und auch wil­lens, die­sen Druck auszuüben?

Lothar Rei­nin­ger: 90 Pro­zent der UNO, ins­ge­samt 165 Staa­ten, for­der­ten Ende Okto­ber das Ende der Blo­cka­de gegen Kuba. Zwölf ent­hiel­ten sich, sie­ben waren dage­gen. Aber wirk­lich getan wur­de nichts, um die USA zu bewe­gen, ihre Wirtschafts‑, Han­­dels- und Finanz­em­bar­gos zu unter­las­sen. Auch die deut­sche Regie­rung gibt ein jäm­mer­li­ches Bild ab. Um so wich­ti­ger ist die Soli­da­ri­tät etwa von Chi­na und Viet­nam. Kuba merkt gera­de jetzt, nach dem Hur­ri­kan, dass es Freun­de auf der Welt hat.

jW: Soll­ten die Indus­trie­län­der Scha­den­er­satz leis­ten, weil die durch sie ver­ur­sach­te Kli­ma­kri­se die sozia­lis­ti­sche Insel­re­pu­blik belastet?

Lothar Rei­nin­ger: Die For­de­run­gen der süd­li­chen Staa­ten, ihnen Aus­gleichs­zah­lun­gen zu leis­ten, sind berech­tigt. Kuba trägt kaum zur glo­ba­len Erd­er­wär­mung bei, lei­det aber unter den Fol­gen. Der anstei­gen­de Mee­res­spie­gel greift die Küs­ten an. Die Hur­ri­kan­inten­si­tät hat sich seit dem Jahr 2000 ver­drei­facht. Wir kön­nen als klei­ner Ver­ein nur mini­mal dazu bei­tra­gen, die Kri­se abzu­mil­dern, haben es aber geschafft, eine Ener­gie­men­ge zu ermög­li­chen, wie sie von 4.000 Bal­kon­kraft­wer­ken aus­ge­hen wür­de. Unser neu­es Pro­jekt ver­sorgt Stu­die­ren­de der Latein­ame­ri­ka­ni­schen Medi­zi­ni­schen Hoch­schu­le (ELAM) in Havan­na mit Solarpanelen.

Lothar Rei­nin­ger ist Vor­stands­mit­glied des Netz­wer­kes Inter­red Coope­ra­ción e. V. und Pro­jekt­ver­ant­wort­li­cher für gespen­de­te Solar­an­la­gen auf Kuba.
Mehr Infos: interred-org.de
https://www.jungewelt.de/artikel/511891.internationale-solidarität-mit-kuba-haben-kubas- solarpanele-melissa-überstanden.html