Die Revo­lu­ti­on der Bauern

By Published On: Okto­ber 8, 2021Cate­go­ries: Agrar­wirt­schaft

Die Umge­stal­tung jener Rea­li­tät, die sich die Revo­lu­ti­on am 1. Janu­ar 1959 vor­ge­nom­men hat­te, wur­de beson­ders am 17. Mai des­sel­ben Jah­res deut­lich, als sie, in einer Revo­lu­ti­on inner­halb einer ande­ren, das Land denen über­gab, die es bear­bei­te­ten. Sie stutz­te dem Groß­grund­be­sitz und beson­ders der Sakro­kra­tie die Flü­gel und mach­te dem Pacht­sys­tem, der Ver­trei­bung vom Land und der Aus­fall­zeit ein Ende.

Als vor 65 Jah­ren die Mit­glie­der der Katho­li­schen Uni­ver­si­täts­ver­ei­ni­gung sich dar­an mach­ten, die berühm­te Umfra­ge bei den kuba­ni­schen Land­ar­bei­tern durch­zu­füh­ren (1956–1957), viel­leicht das voll­stän­digs­te und am bes­ten doku­men­tier­te Abbild des­sen, was bei uns auf dem Land geschah, blieb ihnen nichts ande­res übrig, als für jene Leu­te, die ein sehr nied­ri­ges Bil­dungs­ni­veau hat­ten, eine äußerst kurio­se Fra­ge­stel­lung zu erfin­den. „Sie kön­nen nicht lesen und schrei­ben, oder?“ hieß es wört­lich in dem Fra­ge­bo­gen, so als ob man den pein­li­chen Zustand des chro­ni­schen Analpha­be­tis­mus, in dem sich der Land­ar­bei­ter befand, kaschie­ren oder im bes­ten Fall das her­un­ter­spie­len woll­te, was die Umfra­ge selbst bestä­ti­gen wür­de: Bis 1957 konn­ten 43 % der kuba­ni­schen Bau­ern weder lesen noch schrei­ben und 44 % hat­ten nie eine Schu­le besucht. Es waren dies nicht die ein­zi­gen übel, auf die die Mei­nungs­for­scher tra­fen: Im „pro­spe­rie­ren­den“ Kuba Ende der 50er Jah­re besa­ßen nur 0,8 % der Woh­nun­gen auf dem Land mit Zie­gel­dach und Zement­bo­den. 63,9 % hat­ten weder Klo noch Latri­nen. Und noch etwas Über­ra­schen­des brach­te die Umfra­ge ans Licht: Bei 91 % der Land­be­woh­ner lag das Gewicht 16 Pfund unter dem theo­re­tisch akzep­ta­blen Durch­schnitt, was gleich­be­deu­tend mit Unter­ernäh­rung war. Bei all dem herrsch­te ein grau­sa­mer und gut aus­ge­nutz­ter Obsku­ran­tis­mus, der dazu führ­te, dass Tau­sen­de und Aber­tau­sen­de Män­ner und Frau­en vom Land, aber auch aus der Stadt, sich zu Beginn der 50er Jah­re dem „Brief­kas­ten von Cla­ve­li­to“ anver­trau­ten, einer Sen­dung von Unión Radio, in dem der in eine Art Medi­en­zau­be­rer ver­wan­del­te Dich­ter Miguel Alfon­so Pozo, die Übel der Insel „heil­te“, egal, ob es dabei um Gesund­heit, Geld oder Lie­be ging. Vie­le sagen, und die Ver­nunft scheint auf ihrer Sei­te zu sein, dass zu einem gro­ßen Teil die Kuba­ni­sche Revo­lu­ti­on das direk­te Ergeb­nis der sich auf dem Land ange­häuf­ten Pro­ble­me war, die glei­chen, die Fidel 1953 in sei­nem lei­den­schaft­li­chen Plä­doy­er „Die Geschich­te wird mich frei­spre­chen“ ange­pran­gert hat­te, das spä­ter von der Umfra­ge der Katho­li­schen Uni­ver­si­täts­grup­pe gestützt wurde.

Die schlimms­ten Übel, wenn auch nicht die ein­zi­gen lagen dar­in, dass die bes­ten Böden des Lan­des nicht dem Land gehör­ten, son­dern aus­län­di­schen Gesell­schaf­ten, die seit Jahr­zehn­ten immer mehr Land „geschluckt“ hat­ten, wie es der Dich­ter aus­drück­te, dass die US-Ame­ri­­ka­­ner fast 100.000 Cabal­le­ri­as ( 1 Cabal­le­ria sind etwa 135.000 Qua­drat­me­ter) besa­ßen und dass 1,5 % der Eigen­tü­mer 46 % des natio­na­len Ter­ri­to­ri­ums in ihren Far­men kon­zen­trier­ten. Die Umge­stal­tung jener Rea­li­tät, die sich­die Revo­lu­ti­on am 1. Janu­ar 1959 vor­ge­nom­men hat­te, wur­de beson­ders am 17. Mai des­sel­ben Jah­res deut­lich, als sie, in einer Revo­lu­ti­on inner­halb einer ande­ren, das Land denen über­gab, die es bear­bei­te­ten. Sie stutz­te dem Groß­grund­be­sitz und beson­ders der Sakro­kra­tie die Flü­gel, mach­te dem Pacht­sys­tem, der Ver­trei­bung vom Land und der Aus­fall­zeit ein Ende und gab jenen die Hoff­nung zurück, die inmit­ten all ihrem Elend mehr den Zau­ber­tricks von Cla­ve­li­to ver­trau­ten als allen Poli­ti­kern der Epoche.